Wenn die Abnahme des Gemeinschaftseigentums vermeintlich wirksam erfolgt, dies jedoch tatsächlich nicht der Fall ist, kann im Regelfall keine konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme und Nutzung angenommen werden. Dies gilt jedenfalls so lange, wie die Erwerber von einer wirksamen Abnahme ausgehen.
OLG München, Beschluss vom 19.10.2023 – 9 U 1358/23 Bau
Die Parteien streiten um einen Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum (mangelhafte Beschichtung der Tiefgarage). Der Beklagte ist Bauträger, die Klägerin die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Die mit den Erwerbern geschlossenen Bauträgerverträge enthalten eine Regelung, wonach der Verwalter der WEG von den Erwerbern beauftragt und bevollmächtigt wird, durch einen vom Bauträger zu bestimmenden Sachverständigen die Abnahmefähigkeit des Gemeinschaftseigentums festzustellen und die Abnahme zu erklären. Daneben bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass der Bauträger berechtigt ist, den Erstverwalter zu bestimmen. Der vom Bauträger beauftragte Sachverständige erklärt die Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Die Erwerber beziehen ihre Wohnungen und nutzen auch das Gemeinschaftseigentum. Im Prozess erhebt der Bauträger die Einrede der Verjährung.
Entscheidung
Die Klage ist begründet, der Anspruch ist nicht verjährt! Eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums hat nicht stattgefunden. Der Sachverständige konnte das Gemeinschaftseigentum nicht wirksam für die Erwerber abnehmen. Die Abnahmeklausel im Bauträgervertrag benachteiligt die Erwerber unangemessen und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Denn sowohl der Erstverwalter als auch der Sachverständige stehen im Lager des Bauträgers. Die Erwerber haben das Gemeinschaftseigentum auch nicht konkludent abgenommen. Erforderlich hierfür ist ein tatsächliches Verhalten der Erwerber, das geeignet ist, ihren Abnahmewillen dem Bauträger gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen. Aus der Nutzung des Gemeinschaftseigentums lässt sich dieser Wille nicht ableiten. Denn die Erwerber sind aufgrund der Vertragsklausel davon ausgegangen, dass eine Abnahme bereits stattgefunden hat. Es fehlt daher – auch für den Bauträger erkennbar – an ihrem Bewusstsein, konkludent eine Abnahme zu erklären. Dass die Erwerber Kenntnis von der Unwirksamkeit der Klausel hatten und damit selbst den Willen zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums bilden konnten, ist nicht ersichtlich.
Praxishinweis
Auch die konkludente Abnahme setzt den Willen zur Erklärung der Abnahme voraus. Dieser Wille wird, im Gegensatz zur ausdrücklichen Abnahme, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus einem tatsächlichen Verhalten des Bestellers abgeleitet. Geht der Besteller aber davon aus, dass eine Abnahme bereits erfolgt ist, bildet er diesen Willen regelmäßig nicht. Daher kann, auch wenn sein Verhalten grundsätzlich geeignet ist, aus ihm eine konkludente Abnahme abzuleiten (hier: Nutzung des Werks), nicht von einer solchen ausgegangen werden. Problematisch kann das insbesondere für Bauträger werden, die eine nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksame Abnahmeklausel im Vertrag verwenden (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 12.05.2016 – VII ZR 171/15, Rz. 56, IBRRS 2016, 1547 zu Nachzügler-Erwerbern; OLG München, Beschluss vom 08.01.2024 – 9 U 1803/23, IBRRS 2025, 0853). Erst ab dem Zeitpunkt, in dem der Erwerber Kenntnis von der Unwirksamkeit der erklärten Abnahme erlangt oder Zweifel bezüglich ihrer Wirksamkeit bekommt, kommt eine konkludente Abnahme wieder in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 241/22, Rz. 46, IBRRS 2023, 3561).